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Abstracts - Symposium Photography Unplugged


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Timm Starl
Fotografie ist mehr als Kunst!

Für den fotogeschichtlichen und den fototheoretischen Diskurs haben sich seit jeher Kunstwissenschaftler zuständig erklärt und sich mit ihren Methoden und Begrifflichkeiten des Mediums bemächtigt. Das Primat ästhetischer Kategorien ließ Fotografien nach Belieben zu Artefakten erklären und zugleich massenmediale Erscheinungen – wie die illustrierte Postkarte und die Hervorbringungen der Knipser – bei den Betrachtungen des Mediums ausschließen. Im Zuge des Aufkommens bildwissenschaftlicher Ansätze werden zwar keine Bereiche fotografischer Anwendungen mehr ausgeschlossen und zunehmend die Weite kultureller Praxis und gesellschaftlicher Bedingtheiten miteinbezogen, doch wird mit einer Vielzahl unterschiedlicher Bildbegriffe operiert. Ein spezifisches Instrumentarium, das auf die konstitutiven Elemente des Fotografischen abhebt, ist noch zu entwickeln. Und damit eine neue Theorie der Fotografie zu begründen.

Dr. h.c. Timm Starl, geb. 1939 in Wien, freier Kulturwissenschaftler, Fotopublizist und Ausstellungskurator, Gründer (1981) und Herausgeber (bis 2000) der Zeitschrift Fotogeschichte, Ausstellungen und Veröffentlichungen vorwiegend zu fotohistorischen Themen, arbeitet an einer Theorie der Fotografie (www.kritik-der-fotografie.at/), lebt in Wien und im Weinviertel.


Steffi Schöne
Das Foto ist eine Krücke oder ich will nicht sehen, was ich kenne

Stellen Sie sich vor, Sie stehen neugierig im Türrahmen Ihrer Lieblingsgalerie und freuen sich auf die neuen Arbeiten eines renommierten Künstlerduos. Da stocken Sie. Ein Blick in den Raum – ein Bild – Enttäuschung. Statt zu flüchten, gehen Sie umher, schauen irritiert und ungläubig auf die präsentierten Arbeiten. Mit jeder Minute, es sollen über dreißig werden, wandelt sich etwas in Ihnen. Bis Sie Ihren ersten Eindruck ins Gegenteil korrigieren, den Ort beschwingt verlassen und bis heute meinen, dass es eine der besten Ausstellungen war, die Sie je gesehen haben.
Ein Betroffenheitsbericht – vom Erliegen der eigenen Rezeptionsmuster und Lesegewohnheiten gegenüber Bildern einerseits und von der Sehnsucht nach neuen Erkenntnissen andererseits. Steffi Schöne gibt Einblicke in drei künstlerische Positionen und deren Umgang mit fotografischem Material als Bestandteil eines Gesamtkonstruktes.

Steffi Schöne, 1979 in Leipzig geboren, ist Künstlerin und lebt vorrangig in Wien
Mitbegründerin des Künstlerkollektivs hektor (www.vonhektor.com)


Friedrich Tietjen
Fotografie: Theorie, Geschichte und Kunstakademien

Nachdem die Fotografie als Verfahren der Bildproduktion ab 1839 verfügbar wurde, war ihr Verhältnis zur akademisch verfassten Kunst (dh vor allem der Malerei) prekär: Sie wurde als Zerstörerin, Konkurrentin, Helferin, Komplement und eine gleichgestellte künstlerische Praxis wahrgenommen. Dass sich mit den Mitteln der Fotografie künstlerisch arbeiten lässt, wird gegenwärtig zwar ebenso wenig in Frage gestellt wie das Überleben der Malerei. Doch während diese über ein Jahrhunderte altes und ständig erneuertes theoretisches Fundament verfügt, stellt sich das bei der Fotografie wesentlich uneindeutiger dar. Zwar gibt es eine umfassende Theorieproduktion im Bereich der künstlerischen Fotografie; doch gerade weil die Fotografie – anders als die Malerei – nicht einmal in erster Linie Feld und Medium der Kunst ist, stoßen diese Theorien nicht selten an ihre Grenzen. Das lässt sich als Problem auffassen; der Vortrag soll versuchen, das Potential dieser Grenzen zumal für die Diskussionen an einer Kunstakademie zu ermitteln.

Friedrich Tietjen, seit 2007 Juniorprofessor für Geschichte und Theorie der Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. 2006 Dissertation Bilder einer Wissenschaft über die Geschichte der Kunstreproduktion an der Uni Trier bei Gerhard Wolf und Viktoria Schmidt-Linsenhoff. Studium in Hamburg, Trier und Wien.



Andreas Spiegl
Telefonieren, SMS-en, Fotografieren etc.

Es gibt kaum mehr ein Kommunikationsmedium, das keine Kamera eingebaut hätte. Das klassische Mobiltelefon erlaubt neben der Telefonie auch das Verfassen von SMS, den Zugriff aufs Internet, die Terminplanung und das Fotografieren. Die Tatsache, dass eine Fotokamera oder Fotofunktion miteingebaut ist, scheint zumindest ein Begehren zu bestätigen, das Fotografieren im Kontext eines telekommunikativen Horizonts zu sehen. Wichtig und zugleich Themas dieses Vortrags ist die Möglichkeit, dass der Akt des Aufnehmens, das Fotografieren als Handlung, bedeutender geworden ist als die entstehender Bilder. Was dann von der Fotografie bleibt, ist die Geste des Fotografierens mit dem Ziel, die Gegenwart unter den Koordinaten eines Bildes zu betrachten – als mediales Ereignis. Das Begehren nach diesem Ereignis führt dann dazu, so oft als möglich den Auslöser zu drücken, um immer wieder und je aufs Neue die bloße Verwandlung ins Bild zu bestätigen. Die Bilder selbst wandern dann in den unendlichen Speicher. Jede Festplatte ein Dachboden. Und was davon in Ausstellungen kommt, hat mitunter Vorbildfunktion – vielleicht weniger fürs Bild als fürs bloße Aufnehmen, und sei es für die Aufnahme in die freie Klasse. 

Andreas Spiegl studierte Kunstgeschichte an der Universität Wien und unterrichtet an der Akademie der bildenden Künste Wien u.a. Medientheorie am Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften.


Marek Božuk, Robert Bodnar
Database Photography


Wenn man so will, kennt die Geschichte der Photographie einige Revolutionen – von der ursprünglichen Daguerreotypie über Muybridge bis zur Kompaktbildkamera, oder unlängst im 20. Jhd. das Eindringen des Digitalen in die Sphäre der Photographie. Und nicht zuletzt erlebt die „digitale Photographie“ aktuellerweise Emanzipationsversuche in Form einer computational oder eben database photography. Diesem Gedankenstrang folgend, bewirken die jüngsten technischen Verschiebungen, wo bis dahin die digitale Photographie die analoge „bloß“ zu imitieren trachtete, strukturelle Neueinschreibungen photographischer Theoriematerie.
So wie ehemals das Negativ eine neue epistemische Entität auf die Bühne dessoziokulturellen Geschehens brachte, so kann die Bilddatenbank anstelle dessen als eine mögliche epistemische Einheit eines reality-mappings mittels numerischen Werten verstanden werden. Begriffe wie das liquide Bild oder der indecisive moment tauchen auf, und schlussendlich lässt sich das stereotypische Verhältnis zwischen „analoger und digitaler“ Photographie neu deuten, insoweit es zu einer Umkehrung des Primär- und Sekundärraumes kommt.

Robert Bodnar wurde 1980 in der ehemaligen Tschechoslowakei geboren. Während seiner Ausbildung auf der Akademie der Bildenden Künste in Wien (Herrmann, Farocki) begann er sich mit fotografischen Grenzbereichen zu anderen Disziplinen wie Computergrafik, Film, Video, Installation und Performance zu beschäftigen. Er arbeitet als Fotograf, Künstler und art based researcher in Wien und Niederösterreich.

Marek Božuk, geb. 1981 in Trenčin der ehemaligen Tschechoslowakei, lebt und arbeitet derzeit in Wien, wo er das Ende seiner Philosophieausbildung in Medientheorie unter Claus Pias genoss. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit der Pataphysik des Frühwerks Jean Baudrillards, sowie den Spuren, welche dieses Unterfangen zu Tage fördert.




Andreas Fogarasi
Vasarely Go Home

Die Arbeiten von Andreas Fogarasi sind dokumentarischer Praxis ebenso wie autonomer Skulptur verpflichtet. Am Beispiel seiner aktuellen Ausstellung “La Ciudad de Color / Vasarely Go Home” (Museo Reina Sofia, Madrid, 2011/2012) spricht er über Strategien von Display und Didaktik, Bild und Text, Fotografie und Raum.
“Vasarely Go Home” ist ein Dokumentarfilm über ein doppeltes Ereignis, das am 18. Oktober 1969 in Budapest stattgefunden hat. An diesem Tag eröffnete im Mücsarnok/Kunsthalle eine Retrospektive von Victor Vasarely, dem weltbekannten Op-Art Künstler ungarischer Herkunft. Es war Vasarelys bis dahin grösste Ausstellung und die erste grosse Ausstellung abstrakter Kunst in Ungarn. Die ungarische Kulturpolitik suchte zu jener Zeit aktiv den Kontakt zu Ungarn, die im Ausland lebten und dort Berühmtheit erlangt hatten. So war Vasarelys Ausstellung einerseits ein “Import” internationaler Kunst, andererseits konnte er gleichzeitig als kultureller “Export” reklamiert werden. Während die damals aktuelle ungarische Neoavantgarde, ebenso wie abstrakte Stömungen bestenfalls toleriert wurde, war die Ausstellung ein grosses öffentliches Ereignis, das von der lokalen Kunstszene mit grossen Erwartungen, aber auch Skepsis begleitet wurde.
Das zweite Ereignis, das an jenem Abend während der Ausstellungseröffnung stattfand, war eine Ein-Personen-Demo des Künstlers János Major, der ein kleines Protestschild mit sich trug – und das er nur Freunden und Bekannten zeigte – auf dem stand “Vasarely Go Home”.
Das Video – zusammen mit den anderen Arbeiten der Ausstellung – geht Fragen nach kultureller Repräsentation und dem Internationalismus der Moderne ebenso nach, wie historischer Erinnerung und den Ein- und Ausschlüssen künstlerischer Szenen.

Andreas Fogarasi ist Künstler und Mitherausgeber von dérive – Zeitschrift für Stadtforschung.
Geboren 1977 in Wien, lebt in Wien. Studium an der Universität für angewandte Kunst (Architektur, Freie Klasse), an der Akademie der Bildenden Künste und bei Le Pavillon/Palais de Tokyo, Paris. Für seine Ausstellung im ungarischen Pavillon der 52. Biennale di Venezia, 2007 wurde er mit dem goldenen Löwen ausgezeichnet.
Einzelausstellungen u.a.: Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, Madrid; Centro Andaluz de Arte Contemporáneo, Sevilla; Ludwig Forum für internationale Kunst, Aachen; Galerie Georg Kargl, Wien; Ungarischer Pavillon, 52. Biennale di Venezia; Grazer Kunstverein; Lombard Freid Projects, New York; Galerie Cortex Athletico, Bordeaux; Ernst Museum, Budapest; Zahlreiche internationale Gruppenausstellungen, unter anderem Manifesta 4, Frankfurt/Main; Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf; Palais de Tokyo, Paris, Galerie im Taxispalais, Innsbruck; EV+A, Limerick; Art Unlimited, Basel; Kunstraum der Universität Lüneburg; Ludwig Museum, Budapest; NGBK, Berlin; Museum of Contemporary Art, Zagreb; MAK Center, Los Angeles.


Felicitas Thun-Hohenstein
Anmerkungen zu einer Kunstgeschichte nach der performativen Wende


Sissa Micheli
Detecting borders of photography


Fotografie als Kunst oder Kunst als Fotografie? Fotografin, bildende Künstlerin oder gar Medienkünstlerin? Wie bezeichnen sich Künstler/innen selbst und wie werden sie von Institutionen kategorisiert? Anhand einiger fotokünstlerischer Beispiele sollen mediale Schnittstellen und Grenzüberschreitungen dargestellt werden. Dabei steht vor allem das Wechselspiel zwischen Fotografie, Film und Zeichnung im Focus.

*1975 in Bruneck, Italien, lebt und arbeitet in Wien.
Schule für künstlerische Photographie, Wien; Studium der Anglistik und Romanistik, Universität Wien; Diplomstudium an der Akademie der bildenden Künste Wien; kuratorische Tätigkeit im Rahmen der Ausstellungsreihe „Schaugrund“; Dozentin an der internationalen Sommerakademie für bildenden Kunst und Medientechnologie Venedig.